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Was ist ein Ersatzschaltbild (ESB)?

Ein Ersatzschaltbild ist eine Umschreibung eines elektrischen Systems in ein anderes, oft vereinfachtes, System, dass identische Eigenschaften aufweist. Als Beispiel sei eine verschlossene Kiste (eine "Blackbox") mit zwei Eingängen und zwei Ausgängen genannt, in der irgendeine - völig beliebigie - Kombination aus Widerständen, Spulen und Kondensatoren irgendwie verschaltet sind. Diese Innenverschaltung sorgt für irgendein definiertes Verhalten an den Klemmen der Blackbox. Misst man nun in diese Blackbox hinein kann man das elektrische Verhalten z.B. durch Kurzschluss- und Leerlaufversuche erkennen, ohne den genauen Innenaufbau zu wissen.
Aus den so bekannten Eigenschaften kann ein Schaltbild erzeugt werden, dass genau das Verhalten der Blackbox wiedergibt, jedoch höchstwahrscheinlich anders als das Innenleben der Blackbox aussieht. Ersatzschaltbild und Original haben somit die gleichen elektrischen Eigenschaften, haben jedoch sonst meist wenig miteinander zu tun.
Im Falle eines Transformators wird ein Ersatzschaltbild verwendet, dass sich wie ein Transformator verhält, jedoch ohne galvanische Trennung auskommt und somit ein einfaches Rechnen erlaubt.

Das Transformator-ESB:

Idealerweise transformiert ein Transformator Strom und Spannung verlustfrei mit seinem Übertragungsverhältnis Ü von seinen Primärklemmen auf seine Sekundärklemmen, ohne selbst irgendeinen Einfluss zu haben. Es würde sich das ESB eines idealen Transformators ergeben: [img]7650[/img] Diese Sichtweise beschreibt einen realen Transformator jedoch nur sehr ungenau. Um ein sinnvolles Ersatzschaltbild zu bestimmen, muss dieses physikalisch begründet sein, das heißt, seine Elemente müssen einem physikalisch vorhandenem und erklärbaren Phenomän entsprechen. Bei einem Transformator sind prinzipiell vier physikalisch begründbare Elemente vorhanden:
- Der Wicklungswiderstand beider Wicklungen, eine Hauptinduktivität (gebildet durch die zwei gekoppelten Spulen) und einer oder zwei Streuinduktivitäten.
- Die Hauptinduktivität ist durch den Teil des magnetischen Flusses gebildet, der durch beide Spulen fließt, die Streuinduktivität beschreibt den Teil des Magnetfeldes, der NICHT durch beide Spulen dringt, z.B. durch einen "magnetischen Abzweig" wie beim NST oder einfach durch dir Luft.
- Der Eisenverlustwiderstand Rfe. Der Eisenverlustwiderstand beschreibt die Verluste im Eisenkern. Ein Transformator verbraucht auch einen geringen Strom, wenn er sekundärseitig unbelastet ist, da die Magnetisierung des Eisens selbst Energie benötigt. Ebenso wird ein Eisenkern, wenn er bei zu hoher Frequenz betrieben wird, schnell warm. Dies ist darin begründet, dass der Eisenverlustwiederstand bei steigender Frequenz sinkt. Das Verhalten kann im ESB durch den ohmschen Widerstand Rfe beschrieben werden.

Um die elektrischen Eigenschaften eines Transformators zu beschreiben, benutzt man oft ein galvanisch verbundenes T-Ersatzschaltbild. In diesem ESB lassen sich viele Verhaltensweisen eines Transformators elektrisch einfach beschreiben, da es sich wie ein einfaches Vierpolnetzwerk verhält.
[img]7643[/img] Im Falle eines galvanisch getrennten Ersatzschaltbildes ist dies nicht möglich, da hier die magnetische Kopplung keinen elektrischen Pfad zulässt.
Im galvanisch getrennten ESB erkennt man den Wicklungswiderstand der Unterspannungswicklung R2, eine unterspannungsseitige Streuinduktivität Ls2, beide Hauptinduktivitäten der Wicklungen Lh1 und Lh2, sowie die oberspannungsseitige Streuinduktivit Ls1 und den Wicklungswiderstand der Oberspannungswicklung R1. Der Vollständigkeit halber ist noch die Kapazität C1 der Oberspannungswicklung gezeigt. Bei kleinen Trafos kann diese jedoch vernachlässigt werden. Der Widerstand Rfe modelliert einen Magnetisierungsverlust, er bleibt erstmal vernachlässigt, später mehr dazu.
Elektrisch kann man in so einem Ersatzschaltbild nicht rechnen, da Eingangs- und Ausgangsklemmen keine elektrische Verbingung besitzen.
Hierzu formt man das Ersatzschaltbild wie folgt um: [img]7644[/img] Man erkennt hierbei, dass alle den Trafo bestimmenden Elemente elektrisch verbunden sind. Nachgeschaltet ist ein idealer Transformator, der Strom und Spannung entsprechend des Windungszahlenverhältnisses transformiert. Die Größe der Elemente im ESB muss sich natürlich teils verändern!

Zur Notation: Die Größen sind nun s.g. "bezogene Größen" oder auch "gestrichene Größen". Daher wird z.B. R1 zu R1''. Die Schreibweise, ob man nun einen Strich oder zwei Stiche setzt, variiert nach Anwendungszweck - hier darf man sich nur nicht verwirren lassen. Entscheidend ist, dass die Werte eines gestrichenen Elements nicht mehr den tatsächlichen Werten entsprechen.

Nun, wie groß sind denn die gestrichenen Größen jetzt? Als Beispiel wähle ich R1 und R1''. Im ersten Bild erkennt man, dass sich R1 auf der Hochspannungsseite befindet, im zweiten Bild befindet es sich auf der Niederspannungsseite. Damit er identisches elektrisches Verhalten zeigt, muss R1'' um das Verhältnis ܲ kleiner sein als R1. Es gilt also: R1'' = R1 / ܲ.

Warum ist das so? Nehmen wir einen Transformator an, der 100V auf 1000V hochtransformiert. Somit ist Ü = 1000V/100V = 10.
Jeder weiß nun, dass die Eingangsspannung U2 mit Ü multipliziert wird und der Eingangsstrom durch Ü geteilt wird, um die Ausgangsgrößen zu erhalten: U1 = U2 * Ü und I1 = I2/Ü. Die Umformung ergibt: U2 = U1 / Ü und I2 = I1 * Ü. Möchte man ganz normal einen Widerstand berechnen, so rechnet man R = U_2/I_2. Möchte man jedoch durch einen Transformator einen Widerstand messen (das heißt, man misst Strom und Spannung an der Unterspannungsseite, der Widerstand ist jedoch an der Oberspannungsseite) gilt für diesen Widerstand R = U1 / I1 = (U2/Ü) / (I2*Ü) = (U2/I2)/ܲ. Daraus folgt, dass der gemessene Widerstand um den Faktor 1/ܲ zu klein gemessen wird: R1 = R1'' * ܲ oder R1'' = R1/ܲ.

Diese Überlegung kann man für alle Elemente durchführen und erhält:
R1'' = R1 / ܲ
Ls1'' = Ls1 / ܲ
Cp'' = Cp * ܲ

Man kann nun den idealen Transformator auch weglassen, da dieser Transformator schließlich nur Spannung und Strom anpasst. Bezieht man die Ausgangsspannung und -strom ebenfalls, erhält man zusätzlich
I1'' = I1*Ü
U1'' = U1*Ü
und erhält damit das folgende vereinfachte Ersatzschaltbild: [img]7645[/img]

Anwendung des Ersatzschaltbildes:

Mit so einem Ersatschaltbild kann man nun leicht viele Eigenschaften eines Transformators durch einen so genannten Kurzschluss- und Leerlaufversuch bestimmen.
Kurzschlussversuch
Schließt man den Transformator beispielsweise einseitig kurz, ergibt sich eine Konfiguration, in der viele Komponenten wegfallen:
Aus dem Kurzschluss ergibt sich: [img]7646[/img] Lässt man die grau gezeigten Elemente komplett weg und fasst die restlichen Elemente zusammen, so ergibt sich: [img]7647[/img] Die Kapazität C1'' ist kurzgeschlossen und da Ls1'' und R1'' sehr klein sind, kann auch der Querzweig, bestehend aus Lh und Rfe vernachlässtigt werden. Misst man nun U2 und I2, kann die Längsimpedanz Z_ges = R_ges + L_s,ges des Transformators bestimmt werden. Löst man beides nach der Phase, z.B. mit einem Oszilloskop auf oder misst man R1 und R2 zuvor mit einem handelsüblichen Multimeter, kann man die gesamte Streuinduktivität bestimmen.
An diesem Ersatzschaltbild kann man erkennen, wieso ein NST mit Streukern kurzschlussfest ist: Durch seine hohe Streuinduktivität ist die Impedanz im Kurzschlussfall realtiv hoch und kein kritischer Kurzschlussstrom fließt. Der Trafo begrenzt also seinen Stromfluss selbst durch seine Bauart. Ist die Streuinduktivität klein, wie bei vielen Wandlern oder MOTs, müssen die Trafos extern begrenzt werden, wenn sie im Kurzschluss betrieben werden sollen.

Leerlaufversuch:
Lässt man den Transformator oberspannungsseitig unbelastet, ergibt sich das Leerlaufersatzschaltbild. [img]7648[/img] Zu beachten ist hierbei, dass dieses ESB nur für kleine Transformatoren so gilt, da Cp'' klein genug sein muss, um es zu vernachlässigen. Wird die Kapazität groß, d.h. ist sie für einen nennenswerten Anteil des Eingangsstoms verantwortlich, ist der Fall "Leerlauf" nicht gegeben und das ESB gilt nicht!
Man kann dieses Ersatschaltbild weiter vereinfachen, indem man davon ausgeht, dass R2 und Ls2 sehr klein im Vergleich zu den beiden restlichen Komponenten sind (siehe Ergebnisse KS-Versuch). Dann ergibt sich ein Ersatzschaltbild, dass nur noch durch den (hochimpdanten) Querpfad bestimmt ist: [img]7649[/img] Löst man nun erneut U2 und I2 nach Betrag und Phase auf, kann man Rfe und Lh bestimmen. Über Rfe lässt sich nun eine Aussage treffen, wie viel Energie der Kern selbst aufnimmt, und ob er für gewisse Frequenzen noch geeignet ist.

So kann ein komplettes Ersatzschaltbild - näherungsweise - bestimmt werden und die Eigenschaften eines realen Transformators abgebildet werden.